Solar versus Überwinterung im Wasser
Silvesterstimmung
Es ist Silvesterabend hier in Schleswig. Vereinzelt hört man es draussen, trotz Verbots, böllern oder es steigen ein paar Silvesterraketen in den Himmel hinauf, um 2021 zu begrüßen, oder aber um das unsägliche Jahr 2020 hinter sich zu lassen. Es regnet bei grau(envollen) dunklem Himmel. Die Sonne hat sich schon seit ein paar Tagen (gefühlt Wochen) nicht mehr blicken lassen. Halt ein normaler Wintertag hier oben. Zeit, um mal wieder etwas zu bloggen.
Überwinterung im Wasser
Taku Moe bleibt diesen Winter über erstmalig im Wasser und nicht wie sonst in der Halle. Da wir eigentlich im Juni los wollten, hatten wir vorab das Hallenlager gekündigt. Nicht weiter schlimm, denn nun habe ich das Schiff quasi vor der Haustür und kann jeden Tag entweder am oder im Schiff arbeiten. Und so wie es sich bis heute darstellt, werden wir auch 2021 noch nicht loskommen. Es sei denn, die Corona-Lage erlaubt es uns auch langfristig sicher außerhalb deutscher Grenzen bewegen zu können, ohne mit einem Lockdown rechnen zu müssen oder sich unnötiger Infektionsgefahr auszusetzen. Ein Ersatzprogramm haben wir jedenfalls.
Winterplane
Im Vorfeld der Überwinterung hat uns die Segelmacherei Nickels in Flensburg eine ordentliche Winterplane geschneidert. Im Nachhinein haben wir es aber bereut, dass wir diese nur auf das Deckshaus beschränkt haben und nicht über das gesamte Schiff. Das holen wir im nächsten Winter nach.
Die Sache mit der Selbstentladung
Nachdem nun der Umstieg von Blei-Batterien auf Lithium (LiFePO4) erfolgreich verlief, war ich gespannt, wie sich unsere Solaranlage hinten auf dem Geräteträger über den Winter macht, insbesondere wie hoch die Energieerträge sind.
Nun könnte man sich die Frage stellen, warum Solar im Winter denn überhaupt wichtig ist. Schließlich haben wir Lithium-Batterien. Wer sich eingehend mit dem Thema beschäftigt hat, weiß, dass die Selbstentladungsrate so verschwindend gering ist (ca. 3% der Kapazität im Monat), dass es kein Solar braucht, um über den Winter zu kommen. Das stimmt tatsächlich für den Fall, dass alle Verbraucher ausgeschaltet sind und sichergestellt ist, dass nicht doch irgendwo noch etwas an der Batterie hängt und diese dann über die Zeit entlädt. Letzteres könnte im schlimmsten Fall sogar den Tod für die teuren Akkus bedeuten.
Tagesverbrauch
Bei Taku Moe ist das jedoch anders, denn es sind ständig einige Verbraucher in Betrieb. 4G-Router, Batterieüberwachung (BMS), NMEA2000 Netzwerk, Sensoren, Dieselheizung, Licht udgl. benötigen Elektronen. Und das summiert sich über den Tag auf etwa 40Ah. Nicht gerade wenig. Innerhalb von 10 Tagen wäre die Batteriebank komplett entladen.
Damit das nicht geschieht, soll die Solaranlage dafür sorgen, dass möglichst viel davon am Tag auch wieder zurück in die Akkus fliesst. Nur wieviel ist viel denn tatsächlich während eines typischen norddeutschen Winters?
Wieviel ist viel?
Auf die Antwort dieser Frage brauchte ich nicht wirklich allzu lange warten. Schon ab Ende Oktober war die so wichtige Sonne kaum mehr zu sehen. Hatten wir mitten im Sommer noch maximale Tageserträge von 3kWh verbucht, ging der Ertrag im Herbst auf unter 1kW und im Winter auf unter 0,6kWh zurück.
Das sollte doch eigentlich ausreichend sein. Nehmen wir die Nominalspannung der Batterie und multiplizieren diese mit dem Tagesverbrauch von 40Ah. Das ergibt 512Wh. Rechnerisch passt es. Allerdings haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn die Tage, an denen tatsächlich mal der Tagesverbrauch durch Solar gedeckelt werden kann, sind rar. Sehr rar.
VictronConnect History
So kommen an Tagen wie diesen (die Toten Hosen ;-)) kaum mehr als 20Wh zusammen. Nicht pro Stunde. Nein. Am Tag!
Ein Blick auf die History unseres Victron SmartSolar MPPT 150/35 mit der VictronConnect App gibt genauere Auskunft. Vor 7 Tagen, der erste Weihnachtstag, war ein Bilderbuch Wintertag. Selbst für hiesige Verhältnisse traumhaft. Der Norwegen-Föhn hat sich von seiner besten Seite gezeigt und uns einen klaren, sonnigen Wintertag beschert. Die PV-Anlage bedankt sich mit 570Wh. Das absolut mögliche Maximum, wenn man die wichtigen Parameter, wie Abschattung, Ausrichtung und Anstellwinkel betrachtet. Das Schiff liegt mit Bug in Richtung 190°. Eigentlich falsch herum, denn so können wir die Module nur maximal 10° anstellen. Bei einer Mittagshöhe der Sonne von nur 12° nicht annähernd optimal. Zudem wirft der Mast des Nachbarschiffes sowie der Taku Moe einen Schatten, der fast den ganzen Sonnentag lang andauert. Dafür komme ich jedoch viel einfacher an Bord. Das zählt 😉
Die volle Bandbreite der Solarerträge reicht also von 20Wh bis maximal 570Wh, wobei die Tage mit Minimalerträgen von unter 100Wh überwiegen.
Bald wird es wieder Licht
Es wird klar, dass Solar uns nicht wirklich über den Winter bringt und wir ca. einmal pro Woche mit etwa 3kWh aus dem Landstromladegerät nachhelfen müssen, um die Akkus wieder aufzuladen. Ernüchternd, aber auch nicht anders erwartet. Wir könnten das Schiff drehen. Dann wären die Solarmodule nahezu optimal gen Süden ausgerichtet, da ich diese dann bis zu 45° anstellen kann. Aber auch das würde am Ende nicht ausreichen. Norddeutsche Winter sind nicht mit denen in der Mitte oder im Süden Deutschlands zu vergleichen. Tageslicht hier, ist nicht Tageslicht in München. Eigentlich gibt es sowas wie Tageslicht auch nicht wirklich hier oben. Es sei denn die Sonne scheint 😀
Die Hoffnung stirbt jedoch zuletzt. Seit dem 22. Dezember werden die Tage wieder länger und bald gibt es auch wieder Solarenergie im Überfluss.
Jetzt habt Ihr einen groben Eindruck davon, was Solar hier im Norden unter Realbedingungen leisten kann.
Übrigens: unter dem nachfolgenden Link könnt Ihr Realtime Daten der Installation über das VRM-Portal von Victron einsehen. Hier geht’s zum Portal: Sailing Taku Moe VRM
Euch allen alles erdenklich Gute und vor allem Gesundheit für das neue Jahr.
Handbreit,
Stefanie
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